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Heute ist ein trüber Tag in Viña. Der Frühling hat eigentlich schon angefangen, aber die Sonne will trotzdem nicht recht rauskommen. Wie jeden Tag gehe ich nach der Arbeit hinüber zum Fabrikgelände, wo die Busse pünktlich um 17.25 Uhr abfahren. Schwerfällig wälzt sich die grüne Flotte der Enapbusse durch das Tor und bringt die Arbeiter nach einem langen Arbeitstag sternförmig in alle Richtungen nach Hause.

Der Weg zurück nach Viña führt mich an einem sehr schönen Stück Küstenstreifen entlang. Auf der einen Seite wuchern die Blumen seit Kurzem wie Unkraut und überziehen die braune Erde mit einem gelben Blütenteppich. Die Häuser, die die Strassen in Concon säumen, sind fast alle einstöckig und aus Holz und in unterschiedlichen Farben bemalt. Jedes zweite dieser Häuser beherbergt zur Front hin einen kleinen Laden, in dem Obst, aber auch Gitarren oder doppeltverglaste Fenster verkauft werden. Menschen warten an Bushaltestellen auf die in unregelmäßigen Abständen vorbeifahrenden Micros und neben ihnen liegen streunende Hunde auf dem Boden, die ihre vier Pfoten auf dem sandigen Boden von sich strecken.
Der Bus ruckelt während ich aus dem Fenster schaue, manchmal habe ich das Gefühl diese Straßen sind nicht für Autos gemacht.

Auf der rechten Seite begleitet mich auf der ganzen Strecke der Pazifische Ozean. Die Wellen sind hoch heute und die Gischt besprenkelt die an den Felsen entlanglaufenden Spaziergänger. An anderen Tagen schlagen die Wellen nur sanft gegen die Sandstrände und Felsen, als würde das Meer die Erde sanft streicheln. Ich fahre an den riesigen Sanddünen vorbei, den größten in Chile.

Am Ende der langgezogenen Bucht in der Viña liegt, ist Valparaíso zu sehen. Die Häuser die sich an die Hänge der Cerros schmiegen sind nur schemenhaft zu erkennen. Ich frage mich oft, ob die Menschen, die ihr ganzes Leben hier verbracht haben, diese Schönheit noch wahrnehmen, oder wie unsereins die grünen Wälder daheim als selbstverständlich betrachten.

Die Strecke verändert sich je näher man an Viña herankommt. Die einspurige, enge Straße wird zweispurig; der Verkehr wird dichter, laut tösende Micros überholen hupend und jedes Fahrzeug schlängelt sich seinen Weg entlang, um vielleicht doch noch ein bisschen Zeit zu sparen. Auf der Seite zum Meer hin hat der kilometerlange Sandstrand, für den Viña berühmt ist und der sich bis zum Casino in die Stadt hinzieht, begonnen.

Die Straße ist nun mit Bars, Cafés und Boutiquen gesäumt, welche von hohen Wohnblöcken umrandet werden. Diese Verunstaltung der Landschaft ist vermutlich der Preis für den Blick vom Wohnzimmer auf’s Meer.

Wenn die Ampeln rot werden beginnen Jongleure und Straßenkünstler jeglicher Couleur ihr Schauspiel. Mit Feuerfackeln und Akrobatik performen sie für die Leute im Auto ihr halbminütiges Schauspiel, bevor sie für ein Trinkgeld von Scheibe zu Scheibe laufen. Sobald die Ampel auf grün umspringt ziehen sie sich zurück an den Straßenrand und warten auf die nächte Rotphase. So verbringen sie Stunden im Rhythmus der Ampeln.

Kurz bevor ich aussteige überquere ich den Marga-Marga. Im oberen Teil ist er völlig ausgetrocknet und das Flussbett dient als Veranstaltungsort für Märkte oder für durch’s Land ziehende Zirkusse, aber auch als Parkplatz oder Zufluchtsort für Obdachlose, die sich unter den Brücken ihr Bett aus Pappkartons einrichten. Es fällt mir immer wieder schwer mir bewusst zu machen, dass es hier tatsächliche Armut gibt und manche Menschen nicht wissen wovon sie leben sollen. Insbesondere inViña, welches mehr an eine Touristenstadt an der Mittelmeerküste erinnert, als dass es einer typisch chilenischen Stadt gleicht.

Im unteren Teil des Flusses reicht das Meer einige Meter das Flussbett hinauf und gaukelt dem Auge für einige Augenblicke einen großen Strom vor. Von hier aus erstreckt sich der Blick über die Neubauten und Hochhäuser entlang des Flusses; Viña zeigt sich von seiner hässlichen Seite, als Ziel des Massentourismus.

Hier steige ich aus. Ich könnte noch weiter fahren, jedoch gefällt es mir von Zeit zu Zeit ein wenig im Strom der Menschen mitzuschwimmen. Der Weg führt vorbei an kleinen Läden und Restaurants, die das in Chile so beliebte Completo (ein Hotdog mit gaaaaanz viel Mayonaise, Avocado oder Sauerkraut) verkaufen und dem Gast einen Platz an einem Plastiktisch in einem von Neonröhren hell erleuchteten Raum anbieten. Auf dem Tisch stehen Ketchup, Senf und Ají. Für den Fall, dass die Mayonaise nicht reichen sollte.

Auf den Straßen verkaufen Menschen jegliche Art von unnötigem Kruscht. Die Palette reicht von Pflastern über Raub-DVDs bis hin zu süßen kleinen Hundebabys, die wahrscheinlich früher oder später auf der Straße landen.

So treibt es mich entlang der Fußgängerzone. Ich biege ab zu meinem Lieblingsladen, der aus großen Säcken Erdnüsse, Zimt, getrocknete Früchte und Linsen verkauft. Der Laden ist bis an die Decke vollgestopft mit Lebensmitteln, die sich völlig ohne Ordnung aneinanderreihen. Von der Decke hängen Zweige verschiedener Gewürze und Bündel mit jeglicher Art von Nüssen. Am liebsten mag ich die Erdnüsse mit Oreganogeschmack und die Bananenchips.

Nach Hause ist es nicht mehr weit. Vorbei an meiner Stammbäckerei am Eck laufe ich in Richtung der Hügel, auf denen sich die Wohngebiete von Viña erstrecken. Der Weg führt mich eine steile Treppe mit über hundert Stufen hinauf, sodass ich immer ein wenig ausser Atem zu Hause ankomme. Dafür werde ich mit Meerblick aus meinem Zimmer belohnt. Ich kann es sogar sehen, wenn ich mich aufrecht in meinem Bett hinsetzte. Das ist wie Urlaub.



 
     
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